Zwecks Diskussion des Ersatzunterrichts für „Religion“ wurde ein riesiger Ausschuss von Personen und Vertretern von Institutionen ins Parlament geladen. Sogar die Arbeitswelt- und Industrie-Gruppen wurden aufgerufen, sich zum Thema ethische Belehrung für
Schulkinder zu äußern. Nur die Konfessionsfreien, für deren Kinder der geplante „Ethikunterricht“ überhaupt gedacht ist, wurden sorgfältig ausgeklammert. Wer die staatlich anerkannten Kirchen – aus was für Gründen auch immer – meidet, wird am 5. Mai im Österreichischen Parlament keine Stimme haben… Das ist der Inhalt einer Nachricht vom 31. März. Er wurde durch eine Nachricht am 1. April gleichsam aufgehoben. Heinz Oberhummer von den Konfessionsfreien wird am 5. Mai bei der Enquete anwesend sein. Wir müssen leider sagen: Nichts ist paletti! und: Wo leben wir?
Demokratie folgt dem Gedanken, dass nicht nur eine freie Mehrheit eine Entscheidung trifft, sondern die Betroffenen bei der Entscheidungsfindung irgendwie eingebunden sind. Das ist nicht leicht, aber bei fast 2 Millionen Konfessionslosen geboten. Professor Oberhummer hat nicht das Mandat dieser Riesengruppe, aber er spricht für einige von ihnen mit Sicherheit. Darum ist er der Vorsitzende eines einschlägigen Vereins. Nur unter dem Gesichtspunkt einer sehr rigiden Macht können die Veranstalter der Enquete sagen, dass es die Vertretung der Riesengruppe noch nicht gibt, sodass auch niemand eingeladen werden muss. Eine so brutale Sicht der Dinge kann zum Beispiel ein Fernsehsender nicht übernehmen, er muss bei der Diskussion über Bettelei außer dem Bürgermeister, dem Pfarrer und der Dame vom Gesundheitsamt auch einen Bettler in die Runde hineinsetzen. Die Veranstalter der Enquete aber denken in der Dimension der Totalität, sie lassen einfach alle missliebigen kleinen und großen Gruppen weg und täuschen gleichzeitig Vollständigkeit vor. Am 5. Mai sind Leute aus der Hochschülerschaft und je ein Vertreter von schulfernen Einrichtungen wie der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer, der Industriellenvereinigung usw. eingeladen. Insgesamt wurden Vertreter aus cirka 47 (gut unterscheidbaren) Bereichen zur Enquete gebeten, als ob man die Ganzheit der österreichischen Gesellschaft in einem Plenarsaal repräsentieren wollte. Bei der Katholischen Kirche machte die Veranstaltungsplanung einen Sprung und brachte nicht nur die Kleriker selbst, sondern auch Mitarbeiter der Kirche als Referenten, Delegierte des Familienverbandes und Vertreter privater Hochschulen ins Spiel. Alle in Österreich anerkannten Kirchen wurden von den Planern mit je zwei Vertretern pro Kirche eingeladen, obwohl gerade die straff organisierten Religionsvereine beim konfessionsfreien (!) Ethikunterricht befangen sind.
Beim Ethikunterricht stellt sich die Frage, wer die Kinder aus konfessionsfreien Familien über Dinge wie Freundlichkeit, Liebe, Toleranz, Einstellung zur Natur, Lebensziel und Gibt es ein Leben nach dem Tode? belehren wird. In Berlin hat man ein Gesetz gemacht, dass es den Hilfslehrern eines Agnostiker-Vereins erlaubt, die Kinder aus Agnostiker–Familien in „Lebenskunde“ zu unterrichten. In Wien ist so etwas undenkbar ungeachtet der vielen Agnostiker in der Riesengruppe der Konfessionsfreien. Heinz Oberhummer sagt, dass die Lehrbücher „von katholischen Theologen geschrieben“ werden, und befürchtet, dass die „ReligionslehrerInnen als EthiklehrerInnen“ auftreten werden. Sollte das geschehen, so würden katholische Hilfslehrer diesen heiklen Spezialunterricht bestreiten und der unerwünschten Gruppe würde in Österreich ihre Machtlosigkeit vor Augen geführt.
Martin Luksan
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